C5-Komplementinhibitoren: Krankheitsmodifizierende Behandlung
Im letzten Modul haben Sie erfahren, dass es auch krankheitsmodifizierende Therapien mit Komplementinhibitoren gibt. In dieser Lerneinheit lernen Sie, wie der terminalen Komplementinhibitor Ravulizumab wirkt und erhalten einen Überblick über die Ergebnisse der Zulassungsstudien. Ravulizumab greift in das terminale Komplementsystem ein und damit bleibt ein Teil des angeborenen Immunsystems erhalten.1,2
Seit der Zulassung von Eculizumab 2007, dem ersten terminalen Komplementinhibitor zur Behandlung der PNH, ist die Lebenserwartung von PNH-Patient:innen ähnlich der Gesamtbevölkerung. Die terminalen Komplementinhibitoren sind der Standard of Care in der Behandlung der hämolytischen symptomatischen PNH.3-4 Ravulizumab hat eine längere Halbwertszeit als Eculizumab und somit benötigen die Patient:innen i. d. R. weniger Infusionen.1
Intravaskuläre Hämolyse & terminales Komplement
Aufgrund der fehlenden Oberflächenmoleküle CD55 und CD59, die das Komplementsystem regulieren, kommt es vermehrt zur Hämolyse von Erythrozyten, wie bereits zuvor ausführlich beschrieben. Auf betroffenen Blutzellen führt das Fehlen der regulatorischen Proteine zu einer Hämolyse.5
Die folgende Grafik zeigt den Angriffspunkt der terminalen Komplementinhibition über C5.

adaptiert nach Colden et al. 2022
Der Wirkmechanismus von Ravulizumab1,3,5-7
Ravulizumab bindet an den Komplementfaktor C5 mit hoher Affinität, inhibiert diesen und blockiert in Folge seine enzymatische Aktvierung und Spaltung. Dies verhindert die komplementvermittelte Hämolyse als Folge der C5 Aktivierung.1,3
Die Endothelzellen internalisieren den Antikörper-Komplex bestehend aus Ravulizumab und C5. Im sauren Milieu des Endosoms kommt es zu einer pH-abhängigen Dissoziation von C5 von Ravulizumab und zum Abbau von C5. Darüber hinaus hat Ravulizumab im sauren Milieu eine erhöhte Affinität an den FcRn-Rezeptor, der Ravulizumab wieder in den extrazellulären Raum freisetzt, wo Ravulizumab erneut C5 binden kann. Der Antikörper wird somit reycelt.. Durch die pH-abhängige Dissoziation und das Antikörperrecycling ist die Halbwertszeit von Ravulizumab länger als bei Eculizumab und infolgedessen sind die Infusionsintervalle i.d.R. länger. In der folgenden Abbildung sind diese Mechanismen übersichtlich dargestellt.
Ravulizumab auf einen Blick:6

adaptiert nach Haller et al. 2019
Klinische Studien zur PNH-Behandlung mit Ravulizumab
Die Sicherheit und Wirksamkeit des C5-Komplementinhibitors Ravulizumab wurde in groß angelegten Zulassungsstudien gezeigt.3 In der Verlängerungsphase der Zulassungsstudien wurde die Anwendung von Ravulizumab über mehr als 2 Jahre an über 400 Proband:innen untersucht.3
Die Studien zeigten, dass Ravulizumab bei komplementinhibitor-naiven Patient:innen und Patient:innen mit Eculizumab Vorbehandlung freies C5 sofort, vollständig und langanhaltend hemmt.1,4,7,8
Die folgende Abbildung ist eine Übersicht über die Wirksamkeitsendpunkte in der Evaluations- und der Verlängerungsphase.6
Wirksamkeitsendpunkte in der Zulassungsstudie (Nicht Unterlegenheitsstudie Ravulizumab vs. Eculizumab):

Primäre Evaluationsphase und Verlängerung:


Die Ergebnisse für Sicherheit und Wirksamkeit bei Erwachsenen waren auch nach 2 Jahren konsistent mit den ersten Ergebnissen nach 52 Wochen.3 Die LDH-Normalisierung, Verbesserungen des FACIT-F und EORTC blieben über 2 Jahre erhalten.3 Die Anzahl der Patient:innen, die in der Extensionsphase Durchbruchhämolysen erlitten, war gering und die Mehrzahl konnte auf virale Infektionen oder anderer Stressfaktoren zurückgeführt werden.3 Die folgende Abbildung zeigt die Patient:innen, die Durchbruchhämolysen in der Extensionsphase zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlitten, sowie die Gesamtzahl.3

* beide Studienarme und Bedingungen sind in der vorangegangenen Grafik genauer beschrieben.
Auch die Ergebnisse der Zulassungsstudien für pädiatrische Patient:innen waren in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit konsistent mit den Ergebnissen für erwachsene Patient:innen. Ravulizumab wurde daher aufgrund der Studiendaten für pädiatrische Patient:innen mit PNH zugelassen.1,* Die terminalen Komplementinhibitoren sind der Standard of Care bei der hämolytischen symptomatischen PNH.
*Genaue Informationen zu Dosierung und Zulassung bei adulten und pädiatrischen Patient:innen entnehmen Sie bitte der entsprechenden Fachinformation.1
Referenzen:
- Fachinformation ULTOMIRIS® aktueller Stand.
- Sheridan D et al., PLoS One. 2018 Apr 12;13(4):e0195909
- Kulasekararaj A.G. et al., Eur J Haematol. 2022 Sep;109(3):205-214
- Kulasekararaj A.G. et al., Blood 2019; 133(6):540 –549.
- Colden M.A. et al. Front Immunol. 2022 Jan 28;12:830172.
- Haller H. et al., Wirksamkeit und Sicherheit des langwirksamen Komplement-C5-Inhibitors Ravulizumab bei erwachsenen Patienten mit dem atypischen hämolytischurämischen Syndrom (aHUS). Poster P059, DGfN 2019.
- Lee J.W. et al., Blood 2016; 128:2428.
- Schrezenmeier H. et al., Ther Adv Hematol 2020; 11:1–14.
- Schubert J., Bettelheim B., Brümmendorf T.H., Höchsmann B., Panse J, Röth A., Schrezenmeier H., Stüssi G., https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/paroxysmale-naechtliche-haemoglobinurie-pnh/@@guideline/html/index.html (zuletzt aufgerufen Juli 2022).
Zusammenfassung
- Die PNH ist eine Erkrankung, bei der es aufgrund einer fehlenden Regulation des terminalen Komplementsystems vermehrt zur intravaskulären Hämolyse kommt.
- PNH Patient:innen zeigen unspezifische Symptome, dazu gehören lebensbedrohliche Thrombosen.
- Der Goldstandard der PNH-Diagnostik ist die Durchflusszytometrie.
- Die terminalen Komplementinhibitoren sind der Standard of Care bei der hämolytischen symptomatischen PNH.
- Der Antikörper Ravulizumab ist die Weiterentwicklung von Eculizumab, dem ersten C5-Inhibtior, und ist sowohl für adulte, als auch pädiatrische PNH-Patient:innen, zugelassen.
- Ravulizumab hemmt C5 sofort, vollständig und langanhaltend.
- Die Sicherheit und Wirksamkeit von Ravulizumab konnte in klinischen Studien über mehr als 2 Jahre gezeigt werden.